Aus der christlichen Kunst kennen wir Darstellungen, auf denen wir die Mutter Mariens, die heilige Anna sehen, die ihrer Tochter das Lesen beibringt. Solche Darstellungen finden sich ab dem 14. Jahrhundert. Und auf dem diesjährigen Titelbild zur Weihnachtsnummer sitzt Maria auf dem Esel und liest, während Josef das Kind trägt und den Esel führt. Dieses Bild stammt aus einem Gebets- und Andachtsbuch um 1480.
Die dargestellte Rollenverteilung mutet gar modern an, bedenkt man deren Entstehungszeit. Die lesende Maria wird als Idealtyp, als Vorbild dargestellt. Die Betrachtenden sollen Maria nacheifern und sich in die Bibel oder in das Stunden- bzw. Gebetsbuch vertiefen.
Maria liest und Josef trägt das Kind
Das Titelbild der Weihnachtsausgabe ist eine Darstellung von der Flucht nach Ägypten. Wenn man den Titel nicht kennen würde, käme wohl keinem Betrachtenden in den Sinn, dieses Bild mit einer Flucht in Verbindung zu bringen. Keine Eile, keine heranstürmenden Soldaten des Herodes in Sicht – eher eine idyllische Atmosphäre. Zugegeben, ob es für Maria so gemütlich beim Lesen war auf einem trabenden Esel – das lassen wir mal dahingestellt. Und trotzdem vermittelt das Bild keine Schreckensszenarien einer Flucht, sondern eher Ruhe, Gemächlichkeit und Geborgenheit. Auch Josef scheint ganz vertieft zu sein und betrachtet liebevoll das Kind in seinem Armen. Noch kann er es liebevoll in seinen Armen halten – einige Jahre später wird er diesen Sohn nicht mehr beschützen können vor dem schreienden Mob, der den Tod dieses so liebenswürdigen Menschen fordert.
Menschen auf der Flucht
Nein, Bilder von Menschen auf der Flucht sind anders. Wir sehen es immer wieder in Berichten aus Zeitungen oder aus dem TV. Diese Bilder versetzen uns in Angst und lassen uns nachdenklich und sprachlos zurück. Da kann und will keine oder kaum Weihnachtsstimmung aufkommen.
Weihnachten – die Würde des Geborenseins
Weihnachten als Fest der Geburt eines Gotteskindes – das feiern wir an Weihnachten. Und wir alle sind auf die Welt gekommen. Und Kraft unseres Geborenseins können wir auch hoffen und Vertrauen haben und mit anderen zusammen handeln. Wenn wir Menschen sein wollen, dann so, dass wir nach wie vor verwundbar sind, um dem Schwierigen die Stirn zu bieten oder zumindest uns davon berühren zu lassen. Wir wollen uns nicht vom Licht abschotten, sondern Beziehungen schaffen, uns um Verständigung bemühen, auf Mitteilung aus sein. Das ist die gute Nachricht von Weihnachten. Der Gott mit uns – Immanuel – lässt uns nicht allein im Regen stehen. Und vielleicht liest Maria reitend auf dem Esel gerade die Verheissung aus dem Buch des Propheten Jesaja (Jes 7,15), wo es heisst:
Darum wird Gott
selbst euch ein
Zeichen geben: Siehe,
die Jungfrau hat empfangen, sie gebiert einen Sohn
und wird ihm den Namen
Immanuel geben.
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