In meiner Kindheit hat es am 1. August eine feste Tradition gegeben. Wir Kinder haben uns auf dem Fussballplatz getroffen und dort kleine Knallkörper gezündet. Wir plauderten, lachten und tauschten Neuigkeiten aus.
Später haben sich die Rituale gewandelt. Ich habe innerhalb der Familie gefeiert oder eine offizielle 1. August-feier besucht. Immer aber haben wir daheim eine Schweizer Fahne an das Haus gehängt. Alle Nachbarn taten es uns gleich, oft ergänzt durch eine Kantonsfahne.
Heute stelle ich eine grosse Veränderung fest. Schweizer Fahnen sind nur noch wenige zu sehen. Kantonsfahnen noch weniger. Kein Vergleich mit früher.
Eine andere Zeit
Dafür sehe ich zwei Hauptgründe: Zum einen leben heute mehr Menschen ohne Schweizer Pass in unserem Land als damals. Zum anderen ist Nationalstolz immer verpönter. Es herrscht Verunsicherung.
In der Tat gibt es einen diskriminierenden Nationalstolz – den Nationalismus. Nationalismus in seiner negativen Form bezeichnet ein Über-
legenheitsgefühl gegenüber anderen Nationen. Die Überzeugung, dass die eigene Nation besser, bedeutender, «wertvoller» ist als die anderen. Die Folge: Unterdrückung, Ausgrenzung und Verachtung anderer Nationen und Menschen.
Mit christlichem Glauben lässt sich ein solcher Nationalismus nicht vereinbaren. Vor Gott sind alle Menschen gleich «wertvoll», würdig. Keine Nation hat das beste Wissen und die einzig richtigen Werte. Nur im Miteinander und durch Ergänzung kann es mehr Gerechtigkeit, Frieden und Würde geben. Im Kleinen wie im Grossen.
Mit doppeltem Blick
Ein Nationalfeiertag kann und soll den Blick weiten. Über das Eigene hinaus. Ich finde darum wichtig, den 1. August mit zwei Augen zu feiern.
Das eine Auge blickt auf uns selbst. Wir dürfen dankbar sein und dies guten Gewissens feiern. Dankbar sein, dass wir in einer Nation wie der Schweiz leben. Dass unsere Lebensumstände gut sind – zumindest was das Materielle betrifft. Und ja, wir dürfen auch stolz sein auf das, was früheren Generationen beim Aufbau dieser Nation gelungen ist.
Das andere Auge blickt auf die Menschen, die mit uns oder in anderen Nationen leben. Auch ihnen soll es gut oder besser gehen. Dankbarkeit muss Folgen haben. Engagement. Nur dann können die eigene Freude und das Feiern in der Tiefe stimmig sein.
Mit beiden Blickrichtungen feierten wir an diesem Tag auch Gottesdienst. Ich hoffe, Sie hatten einen schönen 1. August.
Nun wünsche ich Ihnen einen guten baldigen Schul- oder Arbeitsstart, falls Sie in den Ferien waren.
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